Stellungnahme von impressum zur vorgeschlagenen Änderung des Postgesetzes

impressum begrüsst und unterstützt die vorgeschlagene gestärkte und erweiterte Zustellförderung, wenn sie sozialpartnerschaftlich und rechtmässig wirtschaftenden Unternehmen zugutekommt, welche auch den «Journalistencodex» respektieren, da sie namentlich die Information der Bevölkerung in den Regionen stärkt.

Es ist Ihnen bekannt, dass journalistische Medien mit erheblichen wirtschaftlichen Problemen kämpfen und daher journalistische Arbeitskräfte abbauen. Der Verlust an inhaltlicher Vielfalt und Qualität innerhalb weniger Jahre ist erheblich. Durch den Einbruch der Werbeeinnahmen der Medienunternehmen beschleunigt sich die Medienkonzentration, und die redaktionellen Zusammenarbeiten werden begünstigt. Viele Medientitel publizieren deshalb heute identische Inhalte.

Die Grundlage der demokratischen Meinungsbildung der Bevölkerung bildet das verfassungsmässige Grundrecht auf Information. Es setzt die Verfügbarkeit vielfältiger journalistischer Information voraus. Diese lässt sich nicht mehr ausreichend durch den Markt finanzieren. Zwar vermag die vorgeschlagene Erweiterung der Zustellförderung nur einen Bruchteil der Finanzlücke zu füllen, und sie kommt nur einer bestimmten Mediengattung zugute. Sie ersetzt daher das dringende Bedürfnis nach einer umfassenderen Journalismusförderung nicht, und sie vermag dem Rückgang an Informationsvielfalt nur begrenzt entgegenzutreten. Dennoch ist sie eine aktuell notwendige Stütze wichtiger demokratierelevanter Medien.

Es ist jedoch stossend, wenn Unternehmen, die keine GAV-basierte Sozialpartnerschaft mit angemessenen Mindestarbeitsbedingungen pflegen, sich häufig auch nicht an die Vorschriften aus dem Arbeitsrecht halten und den «Journalistencodex» verletzen, in den Genuss der öffentlichen Förderung kommen. Das Gesetz muss hier zwingend Kontrollmechanismen vorsehen.

Detaillierte Begründungen für diese Schlussfolgerungen finden Sie in folgenden Absätzen:

  1. Der Handlungsbedarf zur Stützung der Medienvielfalt ist unbestritten
  2. impressum unterstützt eine stärkere öffentliche Mitfinanzierung journalistischer Medien
  3. GAV und Respekt des «Codex»: Nur konsequent sozialpartnerschaftlich, medienethisch und rechtmässig handelnde Unternehmen sollen profitieren
  4. Digitale Transformation soll beschleunigt, nicht gebremst werden
  5. Journalismus ist ein öffentliches Gut. Die Vertriebsförderung ist ein Pfeiler der notwendigen Förderung. Doch es braucht auch Journalismusförderung

Im Einzelnen:

1. Der Handlungsbedarf zur Stützung der Medienvielfalt ist unbestritten

Ihre Kommission identifiziert Handlungsbedarf zur Stützung der Medienvielfalt in der Schweiz. impressum teilt den Befund, dass die Informationsvielfalt in der Schweiz bereits heute stark eingeschränkt und für die nahe Zukunft ein weiterer, empfindlicher Rückgang zu erwarten ist. Bereits über die vergangenen Jahre sind tausende von Stellen von Journalist:innen dem Spardruck in den Medienunternehmen zum Opfer gefallen, was sich in der rückläufigen Anzahl an berufstätigen Journalist:innen niederschlägt (siehe die Tabelle des BFS: Medienökonomische Aspekte: Erwerbstätigkeit im Medienbereich des BFS, Arbeitsblatt T4, Zeile 26420). Dass die Abbaumassnahmen unweigerlich eine Einbusse an Vielfalt und an journalistischer Einordnung nach sich ziehen, zeigen die Fusionen, redaktionellen Zusammenschlüsse und Vereinbarungen zur gegenseitigen Übernahme journalistischer Inhalte zwischen Verlagen. Die direkte Folge ist eine starke Einbusse an tatsächlicher inhaltlicher Vielfalt, von der die Anzahl existierender Medientitel, die sehr oft die gleichen Inhalte enthalten, nicht ablenken kann.

In den zitierten Zahlen des BFS sind die jüngsten Personalabbaumassnahmen noch nicht einmal berücksichtigt, die im Zeitpunkt der Redaktion dieses Schreibens durch die Verlage umgesetzt werden. Sie werden nochmals mehrere Hundert journalistische Stellen betreffen, und zusätzliche Abbauschritte sind absehbar. Die ausreichende Information der Bevölkerung mit unabhängiger journalistischer Information ist damit akut gefährdet.

2. impressum unterstützt eine stärkere öffentliche Mitfinanzierung journalistischer Medien

impressum hat in diversen Stellungnahmen unterstrichen, dass der Verband der Journalist:innen die Medienförderung grundsätzlich unterstützt. Die Bedingung ist, dass diese die Medien- bzw. Pressefreiheit stützt und nicht gefährdet oder einschränkt.

Dies geht in grundsätzlicher Weise bereits aus den medienpolitischen Zielen von impressum hervor, die auf folgender Webseite abrufbar sind:

https://www.impressum.ch/ihr-berufsverband/medienpolitik/medienpolitische-ziele

Der Verband nimmt ebenfalls zustimmend Kenntnis von der hier publizierten staatsrechtlichen Einschätzung, dass sich aus dem Grundrecht auf Information (Art. 16 Abs. 3 BV) die staatliche Pflicht zur Gewährleistung genügender Finanzmittel für die Bereitstellung journalistischer Information herleitet. impressum betrachtet die Vielfalt der Einnahmequellen als ein wichtiges Element der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Medien. Öffentliche Beiträge können daher die Unabhängigkeit fördern. Finanzieren sich Medien allerdings in überwiegendem Umfang durch öffentliche Mittel, so ist durch andere Mechanismen die journalistische Unabhängigkeit zusätzlich zu garantieren.

Die indirekte Presseförderung durch die Vertriebsförderung kann naturgemäss nur einen kleinen Teil der Kosten senken, welche die Produktion und Distribution gedruckter Medien mit sich bringen. Aus diesem Grund, und weil ihre Gewährleistung weitgehend auf formellen Kriterien beruht, hat sie sich als Fördermodell bewährt, das die inhaltliche Unabhängigkeit der journalistischen Medien nicht einschränkt und mit der Pressefreiheit vereinbar ist.

3. GAV und Respekt des «Codex»: Nur konsequent sozialpartnerschaftlich, medienethisch und rechtmässig handelnde Unternehmen sollen profitieren

In der Suisse Romande halten sich die meisten Zeitungen an sozialpartnerschaftlich vereinbarte Mindestarbeitsbedingungen. Seit 2004 fehlt hingegen in der Deutschschweiz und im Tessin ein Gesamtarbeitsvertrag für Medienschaffende. Seither häufen sich die Fälle von Tieflöhnen und Dumping. Dies bei oft unkontrollierbaren Arbeitszeiten: Viele Unternehmen führen gar keine oder keine wahrheitsgetreue Erfassung der Arbeitszeit ihrer Mitarbeitenden und verletzen damit systematisch die zwingenden Vorschriften des Arbeitsrechts zum Schutze der Gesundheit. Diese Umstände haben dazu geführt, dass die Deutschschweizer und Tessiner Verlage bereits mehrfach von der Tripartiten Kommission des Bundes gemahnt worden sind.

Ohne GAV verletzen diese Verlage aber auch den schweizweit und branchenweit anerkannten «Journalistencodex», die Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten. Auf dieser Grundlage arbeitet der Schweizerische Presserat. Der «Codex» gibt den Journalist:innen einen «Anspruch auf eine klare Regelung der Arbeitsbedingungen durch einen Kollektivvertrag,» (littera f) und angemessene Arbeitsbedingungen, damit ihre «wirtschaftliche Unabhängigkeit als Journalistinnen und Journalisten sichergestellt» (littera g) sein kann.

impressum ist dezidiert der Auffassung, dass es ungehörig ist, wenn Medien, welche Mitarbeitenden keine sozialpartnerschaftlich vereinbarten, angemessenen Arbeitsbedingungen bieten, so den «Codex» verletzen und sich zudem häufig zwingenden Gesundheitsvorschriften widersetzen, auch noch in den Genuss öffentlicher Unterstützung kommen. Umso grosszügiger soll die Unterstützung jenen Medien zugutekommen, die ihren Mitarbeitenden angemessene Arbeitsbedingungen bieten, die durch einen Branchen- oder Unternehmens-GAV garantiert sind, und die damit ihre medienethischen Mindestpflichten erfüllen.

Zumindest so, wie das Gesetz dies bereits für gewerbsmässige Anbieter von Postdiensten verlangt (Postgesetz Art. 4 Abs. 3 lit b und c), muss dies für alle Mitarbeitenden und namentlich die Journalist:innen gelten und entsprechende Kontrollmechanismen vorsehen. Zusätzlich muss sichergestellt werden, dass die vorgeschriebenen Verhandlungen über einen Gesamtarbeitsvertrag ernsthaft mit einem realen, beidseitigen Abschlusswillen geführt werden, der darauf zielt, Arbeitsbedingungen zu vereinbaren, die mit Bezug auf die Journalist:innen «ihrer Arbeit, die ihrer Funktion, ihrer Verantwortung und ihrer sozialen Stellung Rechnung» tragen (littera g des «Codex).

4. Digitale Transformation soll beschleunigt, nicht gebremst werden

Die Post-Vertriebsförderung kann nur gedruckten Medien zugutekommen. Gleichzeitig weisen Entwicklung in Medienunternehmen sowie Studien deutlich darauf hin, dass sich sowohl die Rezeption journalistischer Inhalte als auch der Werbemarkt und der Verkauf von Abonnementen weiterhin in Richtung Online-Plattformen verschieben. Grundsätzlich ist es zu begrüssen, wenn sich journalistische Medien modernen Distributionsmodellen zuwenden, sich auf die nahe Zukunft vorbereiten und damit die Rezeption und die marktliche Monetarisierung journalistischer Inhalte verbessern. Die Medienförderung soll nicht Anreize schaffen, bei veralteten Produktions- und Distributionsmodellen zu verharren, weil sonst keine Fördergelder beansprucht werden können.

Daher ist impressum grundsätzlich der Auffassung, dass nicht Vertriebswege oder Medienunternehmen gefördert werden sollten, sondern die Produktion journalistischer Inhalte. Seit mehreren Jahren fordert impressum daher die gezielte Journalismusförderung, da sie einer zeitgemässen Massnahme zur Garantie des Grundrechts der Bevölkerung auf unabhängige Information entspricht.

Gleichzeitig anerkennt impressum, dass journalistische Informationen nach wie vor breite Bevölkerungsteile in gedruckter Form erreichen. Dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gedruckter Medien in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert haben, wird im erläuternden Bericht der KVF zutreffend festgehalten. impressum anerkennt daher den Nutzen darin, dass die Vertriebsförderung erhöht und durch die Frühzustellförderung ergänzt wird. impressum stellt die Einschätzung der KVF nicht in Frage, dass die siebenjährige Befristung einen angemessenen Massstab darstellt, um den geförderten Medien Zeit für die Weiterführung ihrer notwendigen digitalen Transformation einzuräumen.

5. Journalismus ist ein öffentliches Gut. Die Vertriebsförderung ist ein Pfeiler der notwendigen Förderung. Doch es braucht auch Journalismusförderung

Gemäss der Stiftung Werbestatistik Schweiz, zitiert im Jahrbuch Qualität der Medien 2023 des fög – Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft / Universität Zürich, S. 153, sind die Werbeeinnahmen in gedruckten Medien zwischen 2007 und 2022 um rund 70% von rund 2500 auf 735 Millionen Franken eingebrochen (gleichbleibend für 2023 gemäss Stiftung Werbestatistik). Die Zahlen machen deutlich, dass die zusätzlichen 25 Millionen für die vergünstigte Früh- und Normalzustellung nur einen kleinen Bruchteil der Finanzlücke füllen, die sich durch die Verschiebungen im Werbemarkt geöffnet hat. Die vorgeschlagene Erhöhung ist aber auf jeden Fall zu befürworten, da sie namentlich dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung in den Regionen zugutekommt.

impressum unterstreicht, dass die vielfältige, verlässliche journalistische Information zu den Grundpfeilern der funktionierenden Demokratie gehört, die Charakteristiken eines öffentlichen Guts aufweist, das am Markt nicht (mehr) genügend finanziert werden kann, sowie ein integraler Teil des verfassungsmässigen Grundrechts auf Information ist. Aus diesen Gründen begrüsst impressum die vorgeschlagene Erweiterung der Zustellförderung. impressum weist aber darauf hin, dass ein weiterer, substantieller Ausbau der Journalismusförderung, die nicht nur die Zustellung von Pressetiteln mitfinanziert, dringend erforderlich ist.

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