Pressefreiheit unter Beschuss durch Wirtschaft, Politik und Gerichte

impressum beklagt die Bedrohung der Pressefreiheit. Die fortschreitende Medienkonzentration, Übernahmen durch einen zahlungskräftigen Politiker und häufige gerichtliche Einschüchterungsversuche stellen die demokratische Funktion der Journalistinnen und Journalisten zunehmend in Frage.

Medienfreiheit der BV unter dem Radiergummi

Schweizer Medien : Die Karten sind neu verteilt
Anlässlich des Internationalen Tags der Pressefreiheit am 3. Mai 2018 zeichnet impressum, die grösste Schweizer Berufsorganisation von Journalistinnen und Journalisten, das Panorama der Medienlandschaft nach den letztjährigen Veränderungen. 

„La Dispute des médias“, der Mediendisput. So lautete der Titel eines Podiums, das am 28. April im „Maison de paix“ in Genf stattfand, und an dem Vertreter von Tamedia, der SRG, der „Republik“, von „Léman Bleu“ oder etwa von „Heidi.news“ teilgenommen haben. 

Dass kurz zuvor der Kauf der „Basler Zeitung“ durch Tamedia angekündigt worden war, verlieh dem Treffen eine ungeahnte Aktualität. Durch dieses Geschäft integrierte Christoph Blocher das „Tagblatt der Stadt Zürich“, das auch das Amtsblatt der Stadt ist, und „GHI“ sowie „Lausanne Cités“, beides Gratisanzeiger der Suisse Romande, in seine Einflusssphäre. Der umstrittene Ex-Bundesrat der SVP hat auch schon klargemacht, dass er ein Auge darauf haben werde, dass künftig die geeigneten Personen die Redaktionen leiten würden.
 

Das Blocher-Medienreich dehnt sich schweizweit aus
„Zeitungshaus“ heisst Blochers Medienholding, und sie hat bereits im August 2017 25 Titel gekauft, die in Haushalten rund um Zürich, im Mittelland und in der Ostschweiz verteilt werden. Einige erkennen in den Geschäften ökonomisches Kalkül, indem rentable Informationsprodukte bewirtschaftet werden sollen, erklärt der Medienspezialist der Universität Genf, Philippe Amez-Droz: „Das Kalkül ähnelt jenem von Presse-Tycoon Rupert Murdoch, der Lokalzeitungen in den Vereinigten Staaten zusammengeführt hat.“ In den Regionen, die nun durch die Zeitungshaus AG bedient werden, leben 1,3 Millionen Einwohner.
 

Wie weiter?

Viele Wege um aus der sich politisierenden und verödenden Presselandschaft wieder herauszufinden, werden reflektiert. So etwa die Verstärkung der Distributionsförderung, eine Förderung der Aus- und Weiterbildung von Journalistinnen und Journalisten oder die bessere Nutzung von Synergien zwischen der Tagespresse und den öffentlichen Informationsorganen. impressum hat an der Delegiertenversammlung 2018 seinem Beitritt zu „Fijou“ zugestimmt, einer Organisation, die neue Wege für die Finanzierung des Journalismus beschreitet. Und damit auch die Journalistinnen und Journalisten gegen die bedrängenden Tendenzen ankämpfen können, hat dieselbe Versammlung ohne Gegenstimme der Schaffung eines Fonds für kollektive Arbeitsstreitigkeiten zugestimmt.

 
Beben bei der SDA und beim medialen Service Public
Zwei Ereignisse haben das Medienjahr 2017/2018 besonders geprägt. Einerseits stimmte das Schweizervolk über die „No Billag“-Initiative zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren ab. Zwar lehnte eine überwältigende Mehrheit das Ansinnen ab. Dennoch machte die Initiative vielen deutlich, was das ersatzlose Verschwinden der SRG in der heutigen Form sowie von rund dreissig gebührenfinanzierten privaten Radio- und Fernsehkanälen bedeuten würde. Andererseits zeigte der historische Streik der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA) der Öffentlichkeit, wie schlecht es um die Branche steht, nachdem auf der Agentur im Hinblick auf die Fusion mit der Fotoagentur „Keystone“ in einer Hauruckübung 36 Vollzeitstellen gestrichen wurden. Das neue Umfeld bewog 17 Mitarbeitende, von selbst den Hut zu nehmen, nachdem 25 Kündigungen bereits ausgesprochen worden waren. Im ganzen zählte die Redaktion 150 Journalistinnen und Journalisten. Wer über 60 war, wurde gnadenlos vor die Tür gestellt, ungeachtet der Auswirkungen auf die Altersvorsorge. Und bis 2020 sollen eine von vier Stellen gestrichen sein: ein Blutbad.

 
Der Untergang der Werbevermarkter und die Folgen
Auch die Werbevermarkter werden durchgeschüttelt. Publicitas ist nach dem Verlust seiner grössten Kunden Tamedia und Ringier kaum mehr zu retten. Die Folgen des Finanzlochs im Unternehmen, auf dem die Informationsmedien letztlich sitzenbleiben werden, könnten besonders für kleine Zeitungen verheerend werden. Die SRG möchte sich von Admeira lösen, und Tamedia scheint interessiert, ihre Anteile (33,3%) zu übernehmen, hat aber gerade eben Goldbach gekauft, und zwar um Admeira, dem Joint-Venture  zwischen Ringier, Swisscom und der SRG, die Stirn zu bieten. Auch kleine Agenturen gehen unter, so zum Beispiel jene der Genfer Quartierpresse „Les Nouvelles“.

 
Die Beerdigung von « L'Hebdo »
Im Februar 2017 ging es der Ringier-Redaktion, welche „L’Hebdo“ und „Le Temps“ produzierte, an den Kragen. „L’Hebdo“ erschien am 2. Februar zum letzten Mal. Im Ganzen sind 30 Mitarbeitende betroffen. Etwas mehr als ein Jahr später, im April 2018, gab Ringier eine deutliche Verbesserung des Bruttobetriebsüberschusses bekannt. Ringier schliesst sein Druckzentrum in Adligenswil (LU) im Dezember 2017.

Immer stärkere Medienkonzentration
Tamedia konzentriert kompromisslos seine Redaktionen. So werden alle Deutschschweizer Titel wie etwa der „Bund“, die „Berner Zeitung“, der „Landboten“ oder die „Zürcher Landzeitungen“ von der Zürcher Zentralredaktion bedient, wo früher nur die Inhalte des „Tages Anzeiger“ produziert worden waren. In der Romandie weht der gleiche Wind. Zunächst wurden „Le Matin“ und „20 Minutes“ fusioniert, und auch für die „Tribune de Genève“ sowie die Lausanner Tageszeitung „24 Heures“ gibt es nun eine Zentralredaktion. Und der soeben erst erworbenen „Basler Zeitung“ blüht wohl das gleiche Schicksal.

Auch die Gruppe AZ Medien im Mittelland, die zwar viermal kleiner ist als Tamedia, bläst ins gleiche Horn. Zwar hat sie 2016 noch 2,5 Millionen Gewinn geschrieben, vereinigt aber dennoch ihre Titel mit den Regionalpublikationen der NZZ, nämlich der „Neuen Luzerner Zeitung“ und dem „St. Galler Tagblatt“. In den insgesamt 19 so zusammengeführten Zeitungen werden sich künftig nur noch die Lokalteile voneinander unterscheiden.

Neue journalistische Medien trotz allem
Trotz (oder wegen?) des düsteren Medienumfelds entstehen neue Initiativen. Eine ganze Reihe kleiner, spezialisierter neuer Online-Publikationen erblicken das Licht. Am meisten Aufmerksamkeit haben aber die breiteren Projekte auf sich gezogen. So das das Online-Magazin „Repbulik“, das mit einem spektakulären Crowdfunding 3,4 Millionen Franken für seinen Start einnahm – allerdings mit Klumpenrisiko. Anfangs 2017 konnte es seinen Launch feiern. In der Suisse Romande gibt „Bon pour la tête“ mit seinem Crowdfunding von 230‘000 Franken Hoffnung auf ein langfristig lebensfähiges Pendant zur „Republik“. Daneben treten neue Player in die durch traditionelle Medien immer spärlicher kultivierten Informationsnischen. So wurde 2017 die auf Wirtschaftskriminalität spezialisierte journalistische Newsletter „Gotham City“ ins Leben gerufen. 80% der Anwaltskanzleien ihrer Region bezahlen bereits einen jährlichen Abo-Preis von 1090 bis 2000 Franken.

Auch im Bereich der Videoberichterstattung treten neue Akteure auf den Plan. In der Deutschschweiz bedient „Nau“ nicht mehr nur Bildschirme in öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern etabliert sich zum eigenständigen Medium. In der Suisse Romande entsteht eine Videoagentur namens „Kapaw“, die dafür mit „Le Temps“ zusammenarbeitet.

Journalistinnen und Journalisten vor Gericht
Auch in der Schweiz werden Journalistinnen immer häufiger vor Gericht gezerrt. So der SRG-Journalist Joël Boissard, der wegen Wahlbetrugs zunächst verurteilt wurde, obwohl er nur zum Zwecke der Berichterstattung eine Recherche zur Funktionsstörung im System der elektronischen Stimmabgabe dokumentiert hat. Glücklicherweise hat das Bundesgericht die Verurteilung schlussendlich aufgehoben. Diese Geschichte hatte also ein Happy End – was noch lange nicht für alle gilt.

Auch die Journalistinnen und Journalisten der Tessiner Wochenzeitung „Il Caffè“ wurden von demselben Schicksal ereilt, nachdem sie Missstände im Management der Klinik Sant’Anna aufgedeckt hatten, die namentlich bei einer Patientin zur Entfernung beider Brüste geführt hatten, weil sie mit einer anderen Patientin verwechselt worden war. Bei der Klage gegen die Reporter wurde nicht nur der in der Branche gängige Vorwurf der Verleumdung erhoben, sondern auch jener des unlauteren Wettbewerbs – ein kreatives Novum in der leider häufigen Schlacht gegen investigativen Journalismus. Nach einer ersten Verurteilung läuft nun das Verfahren vor der Rekursinstanz.

Im Kanton Waadt hat die Regierung die Telefonrechnungen der Minister verlangt, um nachzuvollziehen, wo Informationen zu lokalen Zeitungen durchgesickert waren – und verletzte dabei den Quellenschutz, der ausdrücklich durch Art. 17 Abs. 3 der Bundesverfassung garantiert ist. Und im Kanton Genf steht die Wochenzeitung „Le Courrier“ vor Gericht, weil ihr vom Unternehmer Gandur üble Nachrede und Verleumdung vorgeworfen werden, nachdem im Zusammenhang mit dessen privaten Partnerschaft zur Vergrösserung des Museums für Kunst und Geschichte ein Portrait über ihn erschienen war.

impressum – die Schweizer JournalistInnen – beklagt den von Sankt Gallen bis Genf reichenden, immer enger werdenden Würgegriff der fortschreitenden Medienkonzentration, der sowohl der Medienvielfalt als auch der Medienfreiheit die Luft raubt. Dazu gesellen sich die immer häufigeren gerichtlichen Einschüchterungsversuche gegenüber Journalistinnen und Journalisten, obwohl diese nichts anderes tun, als im Interesse der Öffentlichkeit ihr Metier auszuüben.