Interview

10 Fragen an Roland Jeanneret, Stiftungsratspräsident der Vorsorgestiftung von impressum

Wie funktioniert die Vorsorgestiftung?

impressum-Mitglieder in Schwierigkeiten können sich an uns wenden. Wir analysieren anschliessend deren finanzielle Situation und gewähren auf der Grundlage eines Vertrags ein zinsloses Darlehen. Manchmal haben die unterstützten Personen keine Möglichkeit, den Betrag zurückzubezahlen. In diesen Fällen wird an Stelle eines Darlehens ein Unterstützungsbeitrag «à fonds perdu» gesprochen. Aber wenn ein Journalist, eine Journalistin die Möglichkeit dazu hat, bitten wir die Person, die Hilfe zurückzubezahlen, allerdings unter milden Bedingungen, schliesslich verfolgt die Stiftung einen sozialen, solidarischen Zweck. Da werden beispielsweise 100 Franken während 30 Monaten zurückbezahlt. Geht es einer unterstützten Person wieder besser, ist es üblich, dass sie das Geld zurückbezahlt, damit jemand anderes, der es nötig hat, davon profitieren kann.

Welche Art von Fällen kommt zu Ihnen?

Die Mehrheit der Gesuchsteller sind freie Journalistinnen und Journalisten. Sie gelangen hauptsächlich aus zwei Gründen zu uns: zum einen wegen der Arbeit – weil sie entlassen wurden oder der Umfang der Aufträge empfindlich abgenommen hat – und zum anderen wegen der Gesundheit. In der ersten Fallgruppe sind natürlich diejenigen am Schwersten betroffen, welche keinen unbefristeten Arbeitsvertrag haben. Wenn beispielsweise ein Lokalradio den Betrieb einstellt, wird als erstes die Zusammenarbeit mit den Freien gestoppt. Bei der zweiten Fallgruppe sind es vor allem die Freien, welche den Umständen ausgeliefert sind. Sie sind regelmässig schlecht versichert. Und schliesslich gibt es auch festangestellte Journalisten, welche plötzlich entlassen werden und deren Arbeitgeber raffinierte Ausreden finden, um ihnen nichts bezahlen zu müssen. Um diese Fälle kümmern sich zuerst regelmässig die Juristinnen von impressum, und anschliessend werden die Fälle zu uns geschickt. Wir sind dann das Bindeglied zwischen der aktuellen Situation und einer Wende im Berufsleben.

Wer kann sich an die Fürsorgestiftung wenden?

Wer ein Gesuch stellt, muss seit mindestens drei Jahren Mitglied bei impressum sein. Allerdings verfolgt die Stiftung einen wohltätigen Zweck und die Regel wird daher manchmal flexibel angewendet. Die Journalistinnen und Journalisten müssen darlegen, dass sie in Schwierigkeiten stecken; beispielsweise wegen unbezahlter Rechnungen oder hängiger Betreibungen. Wir bitten sie auch um eine Kopie der letzten Steuererklärung. Manchmal besitzen sie auch ein Haus, aber haben trotzdem kein Geld. Hauseigentümer zu sein, ist kein Hindernis für ein Gesuch.

Wie lange dauert es, bis ein Gesuch beantwortet wird?

Wir tauschen uns zwei Mal wöchentlich aus und kümmern uns laufend um die eingehenden Gesuche. Wir versuchen auch, dringende Fälle besonders schnell zu behandeln, das heisst innert weniger Tage, damit die Gesuchsteller rasch eine Antwort haben.

In welchem Umfang wird jährlich Hilfe gewährt?

Wir behandeln etwa dreissig Gesuche pro Jahr. Im 2016 haben wir Darlehen im Betrag von 55‘316 Franken gewährt. Unter diesen Fällen hatte es beispielsweise drei JournalistInnen, die kurz vor ihrer Pensionierung entlassen wurden. Wir entschieden, sie bis zu deren Eintritt ins AHV-Alter zu unterstützen. In solchen Fällen richten wir beispielsweise eine monatliche Rente von 800 bis 1‘200 Franken aus, bis die Sozialwerke greifen.

Wie setzt sich das Vermögen der Fürsorgestiftung zusammen?

Die Fürsorgestiftung wurde vor rund 30 Jahren gegründet. Das Stiftungsvermögen stammt ursprünglich aus einer Schenkung von 1.5 Millionen Franken eines Vorstandsmitglieds von impressum. Nach der Gründung kaufte die Stiftung in Lyss, zwischen Bern und Biel, eine Liegenschaft mit rund einem Dutzend Mietwohnungen. Die Stiftung wird seither von den Mieteinnahmen finanziert. 2016 betrugen die Einnahmen rund 90‘000 Franken.

Woher kommen die meisten unterstützungsbedürftigen Journalistinnen und Journalisten, aus der Deutschschweiz, aus der Romandie oder aus dem Tessin?

Momentan haben wir deutlich mehr Gesuche aus der Westschweiz. Aber das ändert sich je nach den Umständen. Letztes Jahr hatten wir rund zehn Gesuche aus der Deutschschweiz, rund 15 aus der Romandie und einige wenige Fälle aus dem Tessin.

Worin besteht der Unterschied zwischen den Solidaritätsfonds einiger Sektionen und der Fürsorgestiftung?

Einige Kantonalsektionen haben eigene Solidaritätsfonds, die teilweise über ein beachtliches Vermögen verfügen. Die Mitglieder der Fürsorgestiftung sind zum Teil auch verantwortlich für den Fonds ihrer Sektion. Wir haben so immer das Gesamtbild im Blick und koordinieren uns. Einige Sektionen, so beispielsweise Bern und St. Gallen, haben uns im Übrigen die Verwaltung ihrer Solidaritätsfonds übertragen. In manchen Fällen teilen wir eine Unterstützungsleistung auch zwischen einem kantonalen Fürsorgefonds und der Fürsorgestiftung von impressum auf.

Müsste man nicht alle kantonalen Fürsorgefonds mit der Fürsorgestiftung von impressum fusionieren?

Wir haben darüber nachgedacht, um die Prozesse zu vereinfachen. Aber es gibt Probleme juristischer Art. Die Zweckbestimmungen der verschiedenen Fonds sind unterschiedlich. In den Statuten einiger kantonalen Fürsorgefonds ist beispielsweise vorgesehen, dass der Fonds für die Finanzierung von Weiterbildungen verwendet werden kann, was bei unserer Stiftung nicht der Fall ist. Die Fürsorgestiftung verfolgt einen rein sozialen Zweck. Ein Fotograf hatte uns zum Beispiel einmal um Unterstützung für seine Fotoausrüstung gebeten. Wir haben ihn an den Solidaritätsfonds seiner Sektion weitergeleitet, weil das Gesuch vom Stiftungszweck unserer Fürsorgestiftung nicht gedeckt ist. Obwohl in diesem Fall durch die Investition letztlich auch die finanzielle Situation des Mitglieds verbessert werden soll.

Die Delegiertenversammlung von impressum hat dieses Jahr entschieden, einen Innovationsfonds einzurichten. Wie wird das funktionieren?

Wir sind daran, einen spezifischen Innovationsfonds aufzubauen für Journalistinnen und Journalisten, welche sich neu orientieren, und für innovative Projekte. Wenn zum Beispiel ein Kollege beschliesst, sein eigenes Lokalradio oder seine eigene journalistische Webplattform aufzubauen, arbeitet er monatelang intensiv und ohne ein Einkommen zu erzielen. In diesen Fällen könnte der Innovationsfonds einspringen und bis das Projekt angelaufen ist die Lebenshaltungskosten des Mitglieds übernehmen. So ist es beispielsweise im Fall einer Journalistin geschehen, welche sich komplett neu orientieren musste, eine Ausbildung zur Physiotherapeutin machte und ihre eigene Praxis eröffnete. Der Innovationsfonds soll solche Fälle decken. Es wird also nicht das Projekt finanziert, aber der Gesuchsteller kann sich mit Hilfe des Innovationsfonds neu orientieren.

Welche Grenzen kennt die Unterstützung?

Wir helfen den Personen, bis sich eine andere Lösung abzeichnet. Wir können sie nicht über Jahre hinweg unterstützen. Die Hilfe wird während einem oder zwei Jahren gewährt. Wir versuchen, realistisch zu bleiben. Manchmal stellen wir fest, dass die Gesuchsteller im Journalismus keine Perspektive mehr haben. Wo es Sinn macht, motivieren wir sie zu einer Neuorientierung. Wir helfen dabei, ein paar Monate zu überbrücken.

Interview : Marion Moussadek