Wer zu spät klagt, den bestraft das Gericht

impressum strebt seit Jahren mit der SRG eine Sozialpartnerschaft auf Augenhöhe an. Weil es damit nicht vorwärts ging, hat impressum seinen Anspruch auf gleichberechtigte Sozialpartnerschaft eingeklagt. Das Gericht hat jetzt die Klage abgewiesen. Weil impressum zu spät geklagt hat.

«Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben». Dieser Satz wird Michail Gorbatschow zugeschrieben. Sinngemäss umschreibt er treffend, weshalb die Klage von impressum für eine gleichberechtigte Sozialpartnerschaft mit der SRG vom Gericht schlussendlich abgewiesen wurde. Um zu verstehen, wie es überhaupt zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen impressum und der SRG kommen konnte, hilft ein Blick zurück.  

Katz und Maus

Bereits im Mai 1992 hat der Verband der Schweizer Journalisten (VSJ), die Vorläuferorganisation von impressum, ein erstes Mal das Gericht angerufen. Der VSJ wollte damit erreichen, als gleichberechtigter Partner in die Verhandlungen für einen neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) mit der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) einbezogen zu werden. In der Begründung seiner damaligen Klage steht, dass sich der VSJ «seit Jahren» um einen Beitritt zum GAV-SRG bemühe. Der VSJ habe die andere Sozialpartnerin, das Syndikat Schweizerischer Medienschaffender (SSM) sowie die SRG mit Schreiben vom 1. und 22. Mai 1987 erstmals schriftlich um einen Beitritt zum GAV-SRG ersucht. In der Folge sei es zwar zu einem ausgedehnten Briefwechsel und Gesprächen und Verhandlungen über das Beitrittsgesuch gekommen, aber ein Erfolg habe sich für den VSJ nicht eingestellt. In der Klageschrift steht weiter, dass sich insbesondere die anderen Arbeitnehmerverbände, namentlich das bereits erwähnte SSM und der heute nicht mehr existierende Verband Schweizerischer Radio- und Televisionsangestellter (VSRTA) «gegen einen Beitritt des VSJ sträubten».

Wegen dieser Hinhaltetaktik ist der VSJ am 2. Juni 1989 mit seinem Beitrittsgesuch an die Eidgenössische Einigungsstelle gelangt. Die Einigungsstelle hat jedoch ihre Zuständigkeit verneint, weil sie nur zur Schlichtung kollektiver Streitigkeiten zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden zuständig ist. Die SRG hat vor der Einigungsstelle jedoch ausführen lassen, dass sie einem Beitrittsgesuch des VSJ zum Gesamtarbeitsvertrag positiv gegenüberstehe. Aus diesem Grund, so die Einigungsstelle, handle es sich um einen Streit zwischen Verbänden von Arbeitnehmenden, für den die Einigungsstelle nicht zuständig sei. In der darauffolgenden Verhandlung vor dem Friedensrichteramt am 4. März 1992 haben sich indes nicht das SSM und der VSRTA, sondern ausgerechnet die SRG dem Beitrittsgesuch des VJS vehement widersetzt. Dieses widersprüchliche Verhalten der SRG hat der damalige Anwalt des VSJ als Verstoss gegen Treu und Glauben und als «rechtsmissbräuchlich» bezeichnet. Mit dem VSJ, so hat der Anwalt damals festgestellt, solle «offenbar Katz und Maus gespielt» werden.

Zum Verständnis des aktuellen Entscheids des Berner Gerichts ist es wichtig zu wissen, dass der damalige VSJ, die Vorgängerorganisation von impressum, im Jahr 1992 über 7'310 Mitglieder verfügte. Von diesen 7'310 VSJ-Mitgliedern waren 820 voll- oder teilzeitlich bei der SRG tätig, was damals einen überwiegenden Teil der Journalistinnen und Journalisten bei der SRG ausmachte.

Die Klage von 1992 stützte sich auf ein sogenanntes Berufsregister-Abkommen zwischen der SRG und dem VSJ. Dieses Berufsregister-Abkommen bestand seit 1960 und gewährte in Bezug auf die Arbeitsverträge minimale materielle und ideelle Garantien. Für den damaligen VSJ war der Beitritt zum GAV-SRG «nichts anderes als die logische Fortsetzung und Ergänzung dieses BR-Abkommens».

In rechtlicher Hinsicht wurde in der Klage von 1992 daran erinnert, dass einem Verband der Beitritt zu einem Gesamtarbeitsvertrag nur aus einem vertretbaren Grund verweigert werden darf. Diesbezüglich hat das Bundesgericht im sog. SMUV-Entscheid (BGE 113 (1987) II 37) zwei vertretbare Gründe für eine Verweigerung eines Beitritts identifiziert: erstens die mangelhafte Repräsentativität und zweitens die unkorrekte Verhaltensweise eines beitrittswilligen Verbands. Mit Verweis auf diese bundesgerichtlichen Kriterien wurde in der Klage von 1992 festgestellt, dass der VSJ beide zentrale Bedingungen für einen Beitritt zum GAV-SRG erfüllt. Insbesondere wurde die Repräsentativität des VSJ hinsichtlich der Vertretung von Journalistinnen und Journalisten bejaht. Im Übrigen wurde darauf hingewiesen, dass die beiden anderen Sozialpartner der SRG, der VSRTA und das SSM, sogenannte Hausverbände sind, deren Unabhängigkeit gerade beim Verhandeln von Gesamtarbeitsverträgen kritisch beurteilt werden müsse. Es sei daher auch unter diesem Gesichtspunkt zu begrüssen, wenn ein unabhängiger Journalistenverband dem Gesamtarbeitsvertrag beitreten würde.

Unter dem Druck der Klage von 1992 haben die Streitparteien, also der damalige VSJ einerseits und das SSM, der VSRTA und die SRG andererseits, im Jahr 1993 einen Vergleich abgeschlossen. In dieser Vereinbarung wurde dem VSJ für die Vertragsverhandlungen über einen neuen GAV-SRG und in der paritätischen «Commission de concertation» sowie in weiteren paritätischen Kommissionen ein Beobachterstatus zugestanden. In einer weiteren Ziffer wurde zudem in einer sibyllinischen Formulierung festgehalten, dass sich die SRG verpflichtet, «nach Abschluss der GAV-Verhandlungen mit SVJ, SSM und VSRTA Gespräche aufzunehmen, welche die berufsspezifischen Belange der SRG-Journalistinnen und Journalisten zum Inhalt haben und allenfalls in eine entsprechende Umschreibung der Rechte und Pflichten der SRG-Journalistinnen und Journalisten münden sollen». Gestützt auf diese Vereinbarung hat das Bezirksgericht Zürich am 23. Dezember 1993 den Prozess als durch Rückzug der Klage erledigt abgeschrieben.

Spiel auf Zeit

Für die folgende Phase bis zum Einreichen der neuen Klage finden sich im Archiv relativ wenig aussagekräftige Dokumente. Dokumentiert sind immerhin Bemühungen einer Arbeitsgruppe, in welcher sich delegierte Personen von SSM und impressum bis im April 2010 zu mehreren Sitzungen getroffen und einen Entwurf für eine gemeinsame Absichtserklärung der beiden Organisationen verfasst haben. Die Absichtserklärung beinhaltete ein Kooperationsabkommen, in welchem unter anderem geregelt wurde, wie die volle Integration von impressum in die Sozialpartnerschaft mit der SRG hätte umgesetzt werden können. Die Absichtserklärung mit dem Kooperationsabkommen hätte am 8. Juni 2010 unterzeichnet werden sollen. Nachdem diese Sitzung jedoch mit E-Mail des SSM vom 26. Mai 2010 abgesagt worden war, finden sich nur noch sporadisch Spuren einer zunehmend gehässiger werdenden Kommunikation zwischen den beiden Organisationen.

So äusserte beispielsweise das SSM in einem Schreiben vom 24. Oktober 2017 seinen Unmut über den Umstand, dass sich impressum direkt bei der SRG um Aufnahme in die Sozialpartnerschaft und in den Gesamtarbeitsvertrag bemüht hat. Das war dem SSM Anlass genug, um impressum aus der Verhandlungsdelegation auszuschliessen.  

Es erstaunt deshalb nicht, dass sich impressum in einem Schreiben vom 8. Juli 2019 an das SSM darüber beklagt hat, dass sich seine Hoffnung auf eine volle Beteiligung am Gesamtarbeitsvertrag mit der SRG «leider nicht erfüllt» hat. Im Gegenteil, so schrieb der damalige Anwalt, werde impressum «über GAV-Angelegenheiten seitens SRG und SSM nicht oder kaum mehr orientiert».

Vor diesem Hintergrund hat impressum bei einem renommierten Experten für das kollektive Arbeitsrecht, Prof. Dr. iur. Jean-Fritz Stöckli, ein Gutachten in Auftrag gegeben. Zusammenfassend ist Prof. Stöckli in seinem Gutachten vom 8. März 2019 zum Schluss gekommen, dass impressum einen Anspruch auf Beitritt zum damals geltenden GAV-SRG hat. Gestützt auf dieses Gutachten ist impressum im Jahr 2019 erneut an das SSM und die SRG gelangt und hat seinen Anspruch auf Beitritt zum GAV-SRG eingefordert.

Streit um Zahlen

In einem Schreiben vom 30. August 2019 hat das SSM mitgeteilt, dass sich sein nationaler Vorstand grundsätzlich negativ zur Anfrage von impressum geäussert hat. Zudem hat das SMM darauf hingewiesen, dass bezüglich der juristisch entscheidenden Frage der Repräsentativität bislang nur Zahlen aus dem Jahr 2010 vorliegen. Aus diesem Grund stellte sich das SSM auf den Standpunkt, dass impressum – Stand 2019 – nicht mehr genügend repräsentativ sei, um vollwertiger Sozialpartner des GAV-SRG zu werden.

Im Oktober 2019 hat impressum beim Friedensrichteramt Zürich zum zweiten Mal beantragt, vom SSM und von der SRG in den Gesamtarbeitsvertrag aufgenommen zu werden. In den darauffolgenden Vergleichsverhandlungen ist man übereingekommen, die juristisch ausschlaggebende Repräsentativität von impressum, welche vom SSM und von der SRG bestritten wurde, durch ein unabhängiges Treuhandbüro feststellen zu lassen. Nach einem Corona-bedingtem Unterbruch hat impressum den Prozess am 11. Juni 2021 wiederaufgenommen und vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland ihren Anspruch auf Aufnahme in die Sozialpartnerschaft gegenüber der SRG eingeklagt.

Mit Entscheid vom 6. März 2025 hat das Gericht die Klage von impressum abgewiesen. Aus der Entscheidbegründung vom 24. Juni 2025 geht hervor, dass das Gericht die Klage im Wesentlichen deshalb abgewiesen hat, weil es die Repräsentativität von impressum im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichts als ungenügend erachtet. Das Gericht stützt sich dabei auf ein neues Gutachten, welches es bezüglich der Repräsentativität von impressum hat erstellen lassen. Aus dem Gutachten geht hervor, dass bei der SRG nur noch 212 Medienschaffende arbeiten, welche zugleich Mitglied bei impressum sind. Gestützt auf dieses neue Gutachten stellt das Gericht erstens fest, dass impressum nicht über das nötige quantitative Gewicht verfügt, um «als innerhalb der SRG repräsentativ qualifiziert» zu werden. Zweitens erscheint bemerkenswert, dass das Gericht impressum auch die nationale Bedeutung im Sinne der GAV-Rechtsprechung abspricht. Zu diesem Schluss kann das Gericht allerdings nur kommen, indem es die relevante Branche auf den Bereich der elektronischen Medien reduziert – mit der Begründung, dass die SRG nur in diesem Bereich tätig ist.

«Vollzugkostenbeitrag» nagt an Repräsentativität

Auf dem Terrain hat die Zeit gegen impressum gearbeitet. 1992 waren 820 VSJ-Mitglieder bei der SRG tätig. 2025 hingegen sind bei der SRG nur noch 212 Medienschaffende angestellt, die gleichzeitig bei impressum Mitglied sind. Mit anderen Worten hat die Anzahl impressum-Mitglieder, die bei der SRG angestellt sind, zwischen 1992 und 2025 um sage und schreibe 608 Personen abgenommen.

Was sind denn aber die genauen Gründe für diesen markanten Rückgang der innerbetrieblichen Repräsentativität? Der erste Grund ist die Tatsache, dass impressum beim Gesamtarbeitsvertrag mit der SRG nur als Zaungast geduldet ist und dem Verband daher oft die Informationen fehlen, um seine Mitglieder, welche bei der SRG arbeiten, optimal zu unterstützen. Der zweite Grund, weshalb Mitglieder von impressum, welche bei der SRG zu arbeiten beginnen, den Verband verlassen, ist der sogenannte Vollzugskostenbeitrag. Die Vollzugskostenbeiträge «dienen teilweise zur Deckung der Kosten, die dem SSM und der SRG mit der Aushandlung, Anwendung und Durchsetzung des GAV entstehen». Aktuell werden allen Mitarbeitenden der SRG, welche dem GAV unterstehen, monatlich 13 Franken vom Lohn abgezogen (Art. 37 SRG-GAV 2022). Weil der Vollzugskostenbeitrag auch SRG-Mitarbeitenden abgezogen wird, welche nicht Mitglied des SSM sind, sind impressum-Mitglieder, die bei der SRG arbeiten, im Nachteil. Ihnen werden jeden Monat vom Lohn 13 Franken als Vollzugskostenbeitrag für den GAV-SRG abgezogen und sie müssen zusätzlich an impressum einen jährlichen Mitgliederbeitrag zahlen. Ist man jedoch Mitglied beim SSM, ist der Vollzugskostenbeitrag im ordentlichen Mitgliederbeitrag enthalten. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nachgerade, dass es bei der SRG überhaupt noch Mitarbeitende gibt, die trotzt dieser Nachteile Mitglied des Berufsverbands impressum bleiben wollen. Ein Grund dafür könnte sein, dass impressum als Verband der Berufsjournalistinnen und -journalisten exklusiv auf journalistische Anliegen und Interessen fokussiert. Demgegenüber handelt es sich beim SSM um eine Gewerkschaft, die nicht nur Journalistinnen und Journalisten, sondern auch technisches Redaktionspersonal vertritt. Dass die Interessen von Journalistinnen und Journalisten einerseits und technischem Redaktionspersonal andererseits mitunter in Konflikt geraten können, hat sich beispielsweise in Bezug auf das Printmagazin «Edito» gezeigt. Das Medienmagazin «Edito» wurde traditionellerweise von den drei Organisationen SSM, Syndicom und impressum getragen. 2018 jedoch hat sich das SSM aus der Finanzierung des Printmagazins «Edito» zurückgezogen, obwohl journalistische Stimmen innerhalb des SSM gegenüber diesem Schritt kritisch eingestellt waren. Dieses und ähnliche Beispiele zeigen, dass es für eine effektive Vertretung journalistischer Anliegen nötig wäre, impressum als gleichberechtigten Partner in der Sozialpartnerschaft mit der SRG anzuerkennen.

Reihen schliessen

Vor dem Hintergrund der medienpolitischen Herausforderungen, mit welchen sich die SRG aktuell konfrontiert sieht, erscheint es indes als vordringlich, jetzt die Reihen zu schliessen und mit vereinten Kräften gegen die Volksinitiative «200 Franken sind genug» (Halbierungsinitiative) anzukämpfen.

Angesichts des stetigen Rückgangs der Anzahl von SRG-Mitarbeitenden, welche gleichzeitig Mitglied bei impressum bleiben wollen, erstaunt es nicht, dass das Gericht die innerbetriebliche Repräsentativität von impressum verneint und die Klage im März 2025 abgewiesen hat. Hätte impressum folglich im Jahr 1992, als es noch über 820 Mitglieder in der SRG verfügt hat, seine Klage nicht dem Frieden zuliebe zurückgezogen, wären seine Erfolgschancen bedeutend höher gewesen. Vor dem Gericht hat impressum also nicht deshalb verloren, weil es geklagt hat, sondern weil es zu spät geklagt hat. Oder, frei nach Michail Gorbatschow: Wer zu spät klagt, den bestraft das Gericht.

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